07.02.2016

4. Der blinde Maler – Oelbilder ab 1990


"Jede neue Ausstellung brachte weitere Erfahrungen, und ich nutzte so die gewonnenen Erkenntnisse, um in Form und Farbe neue Wege zu gehen und die Grenzen noch weiter zurückzuschieben, um grösseren Dimensionen Platz zu schaffen.
In diesen Zeitraum fiel eine Serie von grossformatigen Oelbildern, die ich mit besonderer Sorgfalt aufbaute und mir dabei die gesammelten Erfahrungen zunutze machte. Fein säuberlich schnitt ich aus leichtem Karton die Formen aus, die dem Bild der Architektur, Stabilität, Spannung und Geschlossenheit verleihen sollten. Noch während dieser formalen Gestaltung dachte ich an die Farben und welchen Ausdruck ich dem Bild verleihen möchte. Da mich diese Tätigkeit des öfteren in eine meditative Stimmung versetzte, bevorzugte ich die späten Abend- und stillen Nachtstunden für die transzendentalen und sehr intuitiven Arbeiten. Während die formale Gestaltung am Bild eher rationalen und klar abgestimmten Grundsätzen folgte, so empfand ich die Farbgebung mehr als ein sinnliches Erlebnis. Gewöhnlich begann ich mit den hellsten Tönen, die ich leicht und subtil mit dem Pinsel, manchmal auch mit den Fingern oder einem weichen Stofflappen sehr dünn auftrug. Transparenz war mir wichtig, denn für gewisse Töne brauchte ich vielerlei Farbschichten übereinander gelegt. Für manche Rot-Töne benutzte ich hauchdünne Schichten von blauen und grünen Farbaufträgen, die je nach ihrer Farbintensität und Transparenz dem Rot zum vollen, helleren oder gedämpfteren Klang verhalfen."

(Auszug aus "Ernesto Weber – Mit Grian durch die Dunkelheit", 2004)

Anmerkung:
In den Jahren von 1994 bis 2000 erlebte der Künstler eine seiner intensivsten und produktivsten Schaffensperiode mit der Anfertigung grossformatiger Oelkompositionen, wie "Im Wiesengrund" (1994), "Wunder der Natur" (1996), "Kathedrale" (1996), "Das Rad" (2000), "Universo magico" (2000), "Lebenswege" (2000).


Bilder im Atelierraum

Erinnerung an Tunesien, 1990, Oel, 49x38 cm

Laternenfest, 1991, Oel
Party, 1991, Oel auf Papier, 47x33 cm

Gioia della vendemmia, 1992, Oel, 45x40 cm
Sottomarino, 1992, Oel, 32x32 cm
Singing in the rain, 1992, Oel, 32x32 cm

L'oro d'autunno, 1992, Oel
Nachthimmel, 1993, Oel
Bordlichter, 1993, Oel, 30x30 cm
Aria di Primavera, 1994, Oel, 58x58 cm

Traumland, 1994, Oel

Im Wiesengrund, 1994, Oel, 63x46 cm

Durchbrechendes Licht, 1996, Oel

Kathedrale, 1996, Oel, 155x125 cm
Kathedrale II, 1996, Oel, 120x70 cm
Wunder der Natur, 1996, Oel

Universo magico, 1996, Oel, 93x91 cm
Far Away, 1996, Oel, 100x100 cm
Jahrtausendwende, 1998, Mischtechnik, 114x112 cm
Stille Fahrt, 1998, Oel, 93x75 cm

Moonlight, 1999, Oel, 58x60 cm. Dieses Bild bearbeitet Ernesto Weber im Video.
Ferner Planet, Oel, 2000, 77x75 cm


Gioia del pittore, Oel, 2000
Werden, Oel, 2000, 124x120 cm
Lebenswege, Oel, 2000, 77x75 cm

Das Rad, 2000, Oel

Happy Memories, 2000, Oel
Im Garten, 2000, Oel auf Papier

Morning Impressions, 2000, Oel, 120x122 cm

Meccanica, Titelgrafik für das Buch "75 Jahre Rapid", 2000, Oel, 45x63 cm
Auftragsarbeit für Rapid AG, Dietikon



23.01.2016

1. Das Künstlerportrait mit Video


Ernesto Weber lernte ich 1977 kennen. Er war damals freischaffender Grafiker und im Auftragsverhältnis für die Rapid AG in Dietikon tätig. Die grafische Gestaltung von Prospekten für Landmaschinen und Kommunalfahrzeuge und Erstellung der Dekorationen für viele Ausstellungen im In- und Ausland waren eine seiner Aufgaben, die er bis zu seiner Erblindung im Jahre 1986 vom Tessin aus durchführte. 

Die Erblindung habe ich miterlebt und ich war mit ihm alle die Jahre freundschaftlich verbunden. Viele seiner Ausstellungen konnte ich fotografisch dokumentieren. Ein grosser Teil der Bilder in meinem Blog stammen von Hans Reusser, Zufikon, der vor allem von den gegenständlichen Bildern viele Dias erstellt hatte.

Speziell danke ich dem Sohn von Ernesto Weber. Claudio Weber trug wesentlich bei zu diesem Blog durch Ergänzung von Texten und Bildern sowie genaueren Angaben zu den Ausstellungen und Werken. 

In einem Beitrag von SF1 in der Sendung "Schweiz Aktuell" vom März 1999 anlässlich der Ausstellung in Nottwil erklärt Ernesto Weber in Bild und Wort seine Arbeitsweise als blinder Maler (Video siehe weiter unten).

Michael Fuchs, Suhr



Ernesto Weber (rechts) mit Kollegen in Luxemburg, 1947


Portrait von 1949














Ernesto Weber
1925–2008, geboren in Winterthur, gestorben in Locarno

Kindheit und Jugend in Winterthur, Lehre als Schriftsetzer, anschliessend Tätigkeit als Typograph in Luxemburg, dann in Zürich und St. Gallen. 

1948–1949 Malkurse an der Kunstgewerbeschule in Zürich, Weiterbildung 1950–1951 an der "Accademia delle Belle Arti" in Florenz, später an der "Akademie für angewandte Kunst" in Wien. 

1952 Umzug nach Lugano, wo Weber als selbständiger Drucker und Grafiker tätig war. 
1961 Verkauf der Druckerei in Lugano, Teilhaber einer Druckerei in Andelfingen.
1965 zog Ernesto Weber wieder ins Tessin, wo er in Neggio im Malcantone eine grafische Werkstätte betrieb. 1974 Umzug nach Lugano. 

1985 erste Ausstellung in Lugano, bald darauf erblindete er anfangs 1986 durch Netzhautablösung kurz nacheinander auf beiden Augen. Er verliess sein Atelierhaus in Curio im Malcantone mit schweren Depressionen und stellte sich 1987 in der Blindenschule in Basel auf sein Leben ohne Augenlicht um. 

1988 erste Ausstellung als "blinder Maler" in Aesch BL. 
Zusammen mit seinem Blindenhund Grian zog er nach Locarno, wo er in einer Wohnung nahe des "parco pubblico" am See lebte. Als der "blinde Maler" erlangte er Anerkennung über die Landesgrenzen hinaus. Ernesto Weber hat sein Leben im 2004 erschienenen Buch "Mit Grian durch die Dunkelheit" zusammengefasst.


Beitrag über Ernesto Weber in "Schweiz Aktuell" von SF1 im März 1999 anlässlich der Ausstellung in Nottwil:






Ernesto Weber in seinem Atelier

Der Blindenhund Grian begleitet ihn auch an Vernissagen seiner Bilder












































































Ausstellungen in der Schweiz:

Winterthur 1978, 1982, 2000
Lugano 1985
Aesch BL 1988
Zürich 1988
Dietikon 1989, 1990, 1994
Dübendorf 1989
Langenthal 1989
Locarno 1989, 1996, 2005
St.Moritz 1989, 1992, 1995
Andelfingen 1990
Appenzell 1990
Goldach 1990
Rupperswil 1991
Genf 1992
Rheinfelden 1992
Teufen 1992
Davos 1994
Glattbrugg 1994
Lenk 1994
Ascona 1995, 2002
Chur 1996
Bern 1997
Brissago 1999
Nottwil 1999
Lausanne 2000
St.Gallen 2000
Bolligen 2001
Zufikon 2001
Arlesheim 2003
Curio 2009 (Retrospektive)

Begegnung an einer Vernissage 1998



Mit Freunden an der Ausstellung in der Rapid AG, Dietikon, 1990

Vernissage der Ausstellung in der Rapid AG, Dietikon, 1990
Vernissage der Ausstellung in Rupperswil AG, 1991

Ausstellung in Rupperswil AG, 1991



Vernissage im Paraplegikerzentrum Nottwil, 1999


Die Durchführung einer Ausstellung ist aufwendig und besonders für einen Blinden in den meisten Fällen harte Knochenarbeit. Die Auswahl und Zusammenstellung, das Verpacken, Transportieren, wieder Auspacken, Hängen, mit Nummern- und Titelschildchen versehen und, nicht zu vergessen, die Anfertigung von Preislisten und Drucksachen.


Geometrische Formen verhalfen Ernesto Weber zu abstrakten Farbbildern

"... Wie stark muss die Sehnsucht nach bildhafter Darstellung sein, dass ein Mensch sie nicht aufgibt, wenn ihm die Sehkraft geraubt ist, und welche Kraft muss in einem Menschen innewohnen, der alle Hindernisse auch unter schwierigen Umständen überwindet, der nicht aufgibt, sondern seiner inneren Schau Gestalt verleiht mit Bildern von packender Tiefe und Fülle: ihre Zartheit und Transparenz, die Harmonie der Farben, ihre Abstufungen, die Bewegtheit der Formen – es stimmt einfach alles. 
Je länger man so ein Bild betrachtet, desto mehr verliert man sich im Schauen und Nachvollziehen dessen, was der Maler weitergeben wollte, einer Aussage, in der man sich selbst wieder findet. Diese Bilder erzählen von Wehmut und Leid, nicht jedoch von Verzweiflung, vielmehr spürt man aus ihnen Tapferkeit und Mut, das Mitfühlen und Mitgehen einer feinfühlenden Seele mit dem, was anderen geschieht. Innere Visionen nehmen Gestalt an, eine Schau, die Schönheit, Wärme und Menschlichkeit ausdrückt, und sich in eindrücklicher Weise dem Betrachter vermittelt."

Auszug aus Engadiner Post, St. Moritz, 10.1.1989




Dieses Buch erzählt die Geschichte des blinden Malers und seinem Border Collie.
Mit 34 Abbildungen. Erschienen im Eigenverlag 2004. 

Auslieferung durch Druckerei Frey GmbH, 8450 Andelfingen.
Zeit der Kirschblüte, 1988, Aquarell, 49x33 cm

Das Buch: "Ernesto Weber – Il Ricordo del Colore" von Giorgio Cesconi erschien 1989 auf italienisch und 1990 auf deutsch "Ernesto Weber – vom sehenden zum blinden Maler". Beide Bücher erschienen im Eigenverlag: "
La vita e l'opera di Ernesto Weber pittore" mit 69 Farbabbildungen und die deutschsprachige Ausgabe "Aus dem Leben und Kunstschaffen des Malers Ernesto Weber" mit 73 Farbabbildungen.
Auslieferung durch Druckerei Frey GmbH, 8450 Andelfingen

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"Vor Jahren habe ich in einem Malcantoneser Dörfchen ein baufälliges Häuschen erworben, das so nach und nach in Stand gestellt wurde. Schmeichelhafte Kritik und einige verkaufte Bilder liessen in mir den Entschluss reifen, Atelier und Domizil in der Stadt aufzulösen und in dieses Dörfchen zu ziehen, um mich ganz der Malerei zu widmen. 
Vier Jahrhunderte sind es her, als dieses Häuschen erbaut wurde, und die Menschen die hier lebten, hinterliessen das Wesen und Fühlen ihrer damaligen Zeit. Es ist eine bescheidene Behausung, eingeklemmt zwischen alten Tessiner Häusern, sich abwendend vom Lärm und der Hektik unserer Zeit.
Vom Dorfgässchen gelangt man durch einen Torbogen über holprige Pflastersteine zu den Treppenstufen. Öffnet man linkerhand die schwere Holztüre, befindet man sich in der rustikalen Wohnküche. Von dort führt eine Holztreppe zum Schlafzimmer, WC und Duschraum, dann eine steile Stiege zum Atelier unter dem Dach des Hauses hinauf. An den Decken sind die alten rissigen Balken sichtbar. Die Mauern und Steine haben vier Jahrhunderte getrotzt und wurden bei der Renovation wieder verwendet."

(Auszug aus "Ernesto Weber – Mit Grian durch die Dunkelheit", 2004)


Zugang zum Atelierhaus in Curio































Ernesto Weber am Eingang zu seinem Atelierhäuschen
































































Bescheidenes Wohnen im Atelierhäuschen

Ernesto Weber und Grian beim Spaziergang in Curio


Vom Atelier ist der Glockenturm von Curio zu sehen